Intern
Medienpsychologie

Crossmediale Kampagne zu Suizidprävention gestartet

19.07.2022

Nach dem Motto “Aktiv werden und Hoffnung schaffen”: Die von der Medienpsychologie initiierte Crossmediale Kampagne zum Thema Suizidprävention ist gestartet!

Suizidalität stellt ein hochsensibles Thema dar. “Jeder braucht mal Hilfe” und darüber zu reden, hilft (Telefonseelsorge: 0800 - 1110111 oder 0800 - 1110222 // https://www.telefonseelsorge.de/ // Online-Seelsorge: https://online.telefonseelsorge.de/ ). Weitere Hilfsangebote finden Sie unter dem Beitrag!

Jährlich sterben etwa 10.000 Personen in Deutschland durch Suizid. Im Raum Würzburg waren es im Jahr 2020 laut dem Polizeipräsidium Unterfranken mehr als 40, davon alleine 20 in der Stadt (persönliche Kommunikation, 09.06.2022). Zudem sterben jährlich “mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, AIDS, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen” (Fiedler, Schneider, Giegling, Rujescu & Lindner, S. 20). Suizidalität hat nicht nur für die betroffene Person weitreichende Folgen. Auch für Angehörige (Menschen aus dem familiären Umfeld, Freundeskreis oder dem Kollegium, usw.) stellt ein Suizid ein äußerst belastendes Lebensereignis dar. Von jedem vollendetem Suizid sind auch etwa sechs weitere Angehörige betroffen (WHO zitiert nach Fiedler et al., 2021, S. 32). Im Rahmen des Seminars Medienpraxis (6. Semester, Bachelor) haben die Studierenden das Motto der IASP (International Association for Suicide Prevention) “Aktiv werden und Hoffnung schaffen“ zum WSPD aufgegriffen und medial umgesetzt: mit viel Engagement wurden sie aktiv und haben eine Kampagne erstellt.

"Es ist ganz wunderbar, wie sich die Studierenden hier einbringen, ihr Wissen und Können für Aufklärung und Enttabuisierung einsetzen. Hier wird das Leitprinzip der Universität  'Wissenschaft für die Gesellschaft' für alle erlebbar”, freut sich Prof. Schwab, Projektleitung. Dabei ist ein durchdachter Medieneinsatz von Nöten, um Menschen mit dem wichtigen Thema gezielt zu erreichen und zur Enttabuisierung beizutragen. So sagt auch Frau Adler, Seminarleitung: “Durch die Tätigkeit am Lehrstuhl für Medienpsychologie wurde mir erst richtig bewusst, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema doch ist und wie feinfühlig man selbst bei den kleinsten medialen Impulsen sein muss. Diese Feinfühligkeit haben die Studierenden bei der Medienentwicklung gekonnt umgesetzt”. Zu Ende des Seminars konstatiert Frau Müller-Pein, die als Sozialpädagogin viele Jahre in der Suizidprävention tätig war und jetzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet für Theorie, Empirie und Methoden der Sozialen Therapie an der Universität Kassel zu Medieneffekten in der Suizidprävention promoviert, über die Arbeit der Studierenden: “Als gebürtige Würzburgerin freut es mich besonders, dass die Studierenden mit so viel Engagement eine Kampagne zur Suizidprävention gestartet haben, die viele Menschen in meiner Heimat erreichen kann”. 

Ziel der Kampagne / des Seminars: Ein Seminar, das mit Tabus bricht

Um das Thema zu enttabuisieren und die Suizidprävention stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, wurde dem Thema u.a. ein ganzer Tag gewidmet. So findet jährlich am 10. September der Welttag der Suizidprävention statt (http://welttag-suizidpraevention.de/). Das Motto lautet "Aktiv werden und Hoffnung schaffen". Diesem Motto hat sich das Seminar Medienpraxis unter Leitung von Dorothea Adler angenommen, mit dem Ziel die Suizidprävention im Sinne der Enttabuisierung stärker voranzutreiben und diesen Welttag mit seiner wichtigen Botschaft bei der breiten Bevölkerung stärker zu verankern. Frau Müller-Pein bereicherte das Seminar durch semesterbegleitende Blockveranstaltungen, in denen tatkräftig an entsprechenden Medienprodukten gearbeitet wurde. 

Suizidprävention verfolgt das Ziel, Menschen in ihrer und aus ihrer psychophysischen Not (heraus) zu helfen (Wolfersdorf & Franke, 2006, S. 401). Dabei ist es auch hilfreich, darüber zu reden und das Thema stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. So bezeichnen Fiedler und Kollegen (2021) die “Etablierung eines gesamtgesellschaftlichen Klimas, in welchem die Suizidproblematik enttabuisiert, wahr- und ernst genommen” (S. 18) wird als wichtigen Baustein zur modernen Suizidprävention. Primäres Ziel der crossmedialen Kampagne war daher die Enttabuisierung und Informationsvermittlung an die Gesamtbevölkerung. Um Herrn Prof. Dr. med Lindner aus einem Interviewbeitrag zu zitieren: “das Tabu [befördert] Suizid, ( … ) da die eigentlichen Hintergründe nicht erkannt und nicht verändert werden können. Verschweigen, Vergessen und Verleugnen ermöglichen nicht, Hilfen bei Suizidalität anzubieten und anzunehmen”. Mit den eingebrachten klassischen und modernen Medienprodukten erarbeitete das Seminar einen gezielten Tabubruch, um die Gesamtbevölkerung, aber auch Angehörige und Betroffene mit der Botschaft “Aktiv werden und Hoffnung schaffen” zu adressieren. 

Aufgrund der notwendigen Sensibilität im Umgang mit dem Thema Suizidprävention bedurfte es einer langfristigen Vorbereitungsphase. So fand bereits im Sommersemester 2021 ein entsprechendes Seminar statt. In diesem wurden die ersten Gedanken, Anschreiben, Medienentwürfe und Zielvorgaben festgesetzt. Das diesjährige Seminar “Medienpraxis” (6. Semester) griff dies auf und finalisierte das Material zu einer crossmedialen Medienkampagne in und um Würzburg. Aktuell werden Würzburger:innen auf diversen Kanälen, von Flyern, Radio- und Zeitungsbeiträgen, aber auch Social Media Beiträgen auf Instagram und Facebook, mit der Botschaft hinschauen, hinhören und darüber sprechen, adressiert. 

Im Rahmen des Seminars wurden zahlreiche Kommunikator:innen kontaktiert, darunter Influencer:innen (Instagram), Apotheken, Cafés sowie Radiosender und Zeitschriften. Nun sind in diversen Medien allgemeine Informationen zum Thema Suizid zu finden, um die Relevanz für die Gesamtbevölkerung hervorzuheben; aber auch Informationen zu Warnsignalen sowie den Umgang mit Angehörigen in Krisensituationen. Auch professionelle Hilfsangebote erstrecken sich über alle Medienprodukte, sodass potentiell Betroffenen die Hilfesuche erleichtert wird. Zuletzt wird auch der Welttag für Suizidprävention erwähnt. Natürlich ist das erst ein Anfang. Ob und inwieweit die Kampagne Wirkung zeigt, entscheiden die Würzburger:innen selbst. 

Auch unter den Studierenden lässt sich durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema ein Erkenntnisgewinn über den klassischen Frontalunterricht hinweg feststellen. “Es ist schon ein Thema, das nicht so alltäglich ist” berichtet Valerie van Ravenzwaay (Studentin). Im Studentenleben sei es schlichtweg nicht so geläufig,  mit dem Thema Suizid konfrontiert zu werden, so Frau van Ravenzwaay. Umso wichtiger die Enttabuisierung. “Ich hatte das Gefühl, dass man durch die Arbeit im Seminar etwas zur Gesellschaft beitragen kann”  (Sophie Glib; Studentin). Deutlich wurde auch, dass die Bearbeitung des Themas zeitaufwendig ist. Aufgrund der notwendigen Sensibilität bedurfte es diverser, zusätzlicher - teils auch nerviger - Rückversichungs- und Überarbeitungsschritte (Stanley Nnamani; Student). Jedoch sei dies auch verständlich, da es ein “sehr sensibles Thema ist und jede Person auf das Thema anders reagiert und man sollte lieber mehr Rücksicht auf eine Person nehmen, um sie nicht zu verletzen” (Stanley Nnamani; Student). Melina Bernhardt konstatiert für sich: “eine sehr schöne Möglichkeit, mit so vielen Leuten eine mediale Kampagne auf die Beine zu stellen”. 

Danksagungen / Beteiligte

Ein besonderer Dank gilt allen Studierenden aus dem Seminar “Medienproduktion” (SoSe2021) sowie “Medienpraxis” (SoSe2022) für die engagierte Arbeit an den Medienprodukten. Auch danken wir Herrn Prof. Dr. Romanos, Klinikdirektor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Würzburg, und Herrn Dr. Bürger, leitender Psychologe der Ambulanz am Universitätsklinikum Würzburg, die die Kampagne mit ihren Fachkenntnissen erweiterten sowie Frau Müller-Pein, die mit ihren fundierten Kenntnissen u.a. aus der Praxis einen zentralen Beitrag zu der Finalisierung der Medienprodukte leistete. Auch Anna Schmidt, wiss. Hilfskraft, gebührt Dank. Zudem dankt der Lehrstuhl für Medienpsychologie allen Kommunikator:innen, denn ohne diese blieben selbst die besten Medienprodukte unerschlossen und das Thema Suizidprävention weiterhin tabuisiert. 


Hinweis an die Lesenden: Wir möchten darauf verweisen, dass unsere Kampagne sich primär für die aktive Enttabuisierung in der Gesamtbevölkerung Würzburg engagierte. Ziel war es, einen Stein ins Rollen zu bringen, um das Thema des Suizids aus dem Tabu zu holen. 

Bei weiterem Interesse bzgl. Suizidprävention empfehlen wir folgende Websites:

Weitere Informationen zu Suizidalität (Zahlen, Fakten, Warnsignale, Risikofaktoren, Helfen), u.a.: 

 

Hilfsangebote

Jeder Mensch kann aufgrund einer Krisensituation suizidale Gedanken entwickeln. Sollten Sie sich aktuell in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder einen Angehörigen (z.B. im Familien- und Freundeskreis) kennen, der sich in einer Krise befindet, können Sie sich an die folgenden Stellen wenden. 

Fachstelle Suizidberatung

Unterstützung in kritischen Lebenssituationen

  • Kardinal-Döpfner-Platz 1
  • 97070 Würzburg
  • Tel.: 0931 - 571717
  • E-Mail:info@fachstelle-suizidberatung.de
  • Internet:www.fachstelle-suizidberatung.de

AGUS – Angehörige um Suizid e.V.

  • Kreuz 40
  • 95445 Bayreuth
  • Tel. 0921-150 03 80
  • E-Mail: kontakt@agus-selbsthilfe.de
  • Internet: www.agus-selbsthilfe.de

AGUS-Selbsthilfegruppe Würzburg

Internet: https://wuerzburg.agus-selbsthilfe.de/

Telefonseelsorge

Offene Tür: Gesprächsladen, Dominikanerplatz 4, 97070 Würzburg

 

Haben Sie Fragen zu der Crossmedialen Kampagne? Dann wenden Sie sich gerne an die Projektleitung, Prof. Dr. Frank Schwab, oder Seminarleitung, Dorothea C. Adler.

Prof. Dr. Frank Schwab | E-Mail: frank.schwab@uni-wuerzburg.de

Dorothea C. Adler, M.Sc. | E-Mail: dorothea.adler@uni-wuerzburg.de 

 

Literaturverzeichnis:

Fiedler, G., Schneider, B., Giegling, I., Rujescu, D., & Lindner, R. (2021). Suizidalität und Suizidprävention in Deutschland – Ein Blick auf den gegenwärtigen Stand. In  B.Schneider, R.Lindner, I. Giegling, S. Müller, H. Müller-Pein, D. Rujescu, B. Urban, & G. Fiedler (Hrsg.), Suizidprävention DeutschlandAktueller Stand und Perspektiven (S. 17- 40). Deutsche Akademie für Suizidprävention e.V.. DOI: 10.17170/kobra-202107014195

Wolfersdorf, M., & Franke, C. (2006). Suizidalität - Suizid und Suizidprävention. Fortschritte der Neurologie - Psychiatrie, 74(7), 400-419.


Literatur, die u.a. für die Kampagne genutzt wurde:

Bundeskriminalamt. (2021a). Anzahl der Drogentoten in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2020 [Data set]. Zitiert nach de.statista.com. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/403/umfrage/todesfaelle-durch-den-konsum-illegaler-drogen/

Bundeskriminalamt. (2021b, Mai). PKS 2020 - Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen.https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2020/InteraktiveKarten/03MordTotschlagToetungAufVerlangen/03_MordTotschlagToetungAufVerlangen_node.html

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention e.V. (o. D.). Suizidalität. Zahlen, Fakten, Warnsignale.https://www.suizidprophylaxe.de/suizidalitaet1/allgemeine-informationen/

Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention. (o. D.). Informationen zum Umgang mit Suizidalität. [Broschüre]. https://www.frans-hilft.de/wp-content/uploads/2019/09/Wenn-Menschen-nicht-mehr-leben-m%c3%b6chten.pdf

Nationales Suizidpräventionsprogramm, Deutsche Akademie für Suizidprävention & Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention. (o. D.). Welttag der Suizidprävention – Deutschland. Welttag der Suizidprävention. https://www.welttag-suizidpraevention.de

Nationales Suizidpräventionsprogramm. (o. D.). Das Nationale Suizidpräventionsprogramm für Deutschland (NaSPro). Suizidprävention Deutschland. https://www.suizidpraevention.de/ueber-uns.html

Nationales Suizidpräventionsprogramm. (o. D.). Hilfe bei Lebenskrisen und Selbsttötungsgefahr junger Menschen. [Broschüre]. https://www.naspro.de/dl/NASPRO-Jugend-2021.pdf

Nationales Suizidpräventionsprogramm. (2021, 15. November). Jahrestagung NaSPro 15. November. https://www.suizidpraevention.de/news-einzelansicht/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=40&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=2db215b53313fc1e9b6b278c8e42012d

Nationales Suizidpräventionsprogramm. (2021, 30. November). Neueste Suizidstatistik: 9.206 Suizide in Deutschland 2020. Suizidprävention Deutschland. https://www.suizidpraevention.de/news-einzelansicht/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=41&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=5ed13a55b3baf62432bd99f4d5888760

Statistisches Bundesamt. (2022). Anzahl der Getöteten bei Straßenverkehrsunfällen in Deutschland von 1950 bis 2021 [Data set]. Zitiert nach de.statista.com.https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185/umfrage/todesfaelle-im-strassenverkehr//

Stiftung Deutsche Depressionshilfe. (o. D.). Suizidalität. https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/suizidalitaet  

World Health Organization. (2019, 9. September). PREVENTING SUICIDE: A resource for filmmakers and others working on stage and screen. https://www.who.int/publications/i/item/preventing-suicide-a-resource-for-filmmakers-and-others-working-on-stage-and-screen

World Health Organization. (2021, 17. Juni). Suicide. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/suicide

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