Intern
Psychologische Ergonomie

PsyErgo auf der ACM CHI Conference on Human Factors in Computing Systems

25.05.2023

Die CHI ist die größte und wichtigste wissenschaftliche Konferenz zur Mensch-Computer-Interaktion. Sie fand vom 23.-28. April 2023 in Hamburg statt. Sechs Tage lang diskutierten dort über 4000 Teilnehmer aktuellste Ergebnisse, neue Wege der Forschung und künftige Kooperationen. Der Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie war mit drei Vorträgen, zwei Postern und mehreren Workshopbeiträgen aktiv involviert.

 

Vorträge

Sara Wolf und Jörn Hurtienne präsentierten ihre Arbeit zu Unverfügbarkeit und einem entsprechenden Artefakt, dem Blessing Companion [1]. Inspiriert von Segenserfahrungen, die Gläubige für uns über einen längeren Zeitraum dokumentierten, entwickelten wir das Konzept der Unverfügbarkeit: Segenserfahrungen sind nicht planbar, vorhersehbar, kontrollierbar oder erzwingbar. Mit dem Blessing Companion erprobten wir anschließend wie sich Unverfügbarkeit in der Gestaltung interaktiver Technologien umsetzen lassen könnte.

Tobias Grundgeiger stellte Erkenntnisse zu Langzeitauswirkungen von Head-Worn Displays für die Supervision von Anästhesisten im OP-Kontext vor [2], die aus einer Kooperation mit dem Universitätsklinikum Würzburg und der University of Queensland in Australien entstanden sind.

Stephan Huber präsentierte die Ergebnisse einer Online-Studie zu Remote User Research [3], in der sich zeigte, dass für eine bestmögliche Emotionserkennung des Gegenübers am besten alle Informationskanäle (Webcam, Screensharing, Ton) zur Verfügung stehen sollten und gerade die Tonübertragung nicht unterschätzt werden darf. ​​​​​

Poster

Sara Wolf und Michael Weber [4] stellten in einem Poster ihre Erkenntnisse aus einem Projekt zum virtuellen Tourismus vor. Können interaktive Technologien helfen, touristische Erlebnisse von zu Hause aus zu ermöglichen? Die vorgestellte Studie nimmt touristische Motive als Basis für eine Analyse von 21 virtuellen Tourismusprodukten und arbeitet heraus, dass aktuelle virtuelle Tourismusprodukte insbesondere auf das Zeigen oder Sehen anderer Orte und auf kulturelle Motive wie Neuheit oder Bildung fokussieren. Sozio-psychologische Motive werden hingegen kaum berücksichtigt und stellen ein großes Potenzial für zukünftige virtuelle Tourismusprodukte dar.

Jan Preßler, Lukas Schmid und Jörn Hurtienne legten eine neue Erklärung für den Ästhetik-Usability-Effekt vor [5]. Der Ästhetik-Usability-Effekt besagt, dass Produkte, die als ästhetisch empfunden werden, auch als einfacher zu benutzen erscheinen. Die meisten bisherigen Erklärungen für diesen Effekt sehen die Ästhetik in einer kausalen Rolle. In einem Experiment konnten wir zeigen, dass die Verarbeitungsflüssigkeit (engl. processing fluency) als dritte Variable sowohl die Bewertung der Ästhetik als auch der Usability beeinflusst und die statistische Kontrolle der Verarbeitungsflüssigkeit den Ästhetik-Usability-Effekt erheblich reduzieren kann.

Workshopbeiträge

Stephan Huber rief im Workshop Intelligent Data Driven Health Interfaces dazu auf, sich bei der Gestaltung von Mensch-KI-Teams im Gesundheitskontext von Methoden der Personal-Gewinnung inspirieren zu lassen. Job-Profiling Methoden können besser Charakterfacetten zu intelligenten Avataren beitragen als konventionelle Methoden nutzerzentrierter Gestaltung, deren Fokus auf Produkt- oder Service-Design liegt [6].

Cordula Baur entwickelte im Workshop Data Physicalisation from Theory to Practice, praktische Konzepte wie Datenphysikalisierungen im Bildungsbereich eingesetzt werden können. Die Notwendigkeit das Themenfeld Datenphysikalisierung weniger durch thoretische Modelle und stattdessen mit mehr Praxisbezug anzugehen, thematisierte sie in ihrem Beitrag Location, Aim, and Audience of Data Physicalisations: Design Approaches instad of Frameworks [7].

Tamara Friedenberger beteiligte sich am Workshop Data as a Material for Design: Alternative Narratives, Divergent Pathways, and Future Directions, in dem breit angelegte Explorationen zum Arbeiten und Designen mit Daten stattfanden. Neben theoretischen Überlegungen zur Natur von Daten sowie den Chancen und Risiken im Umgang damit wurden im zweiten Teil des Workshops, im Sinne von Research through Design, der Design Space rund um Daten als Designmaterial erkundet. In ihrem Beitrag Something is Missing: On the Value of Displaying Missing and Nuanced Data [8]  thematisierte sie am Beispiel zweier Datenphysikalisierungen das (unausgeschöpfte) Potential, das in der Darstellung fehlender oder mehrdimensionaler Daten liegt.

Robin Abendschein sammelte im Workshop Towards an Inclusive and Accessible Metaverse Konzepte, um einen barrierefreien Zugang zum Metaverse für alle zu gewährleisten. In seinem Beitrag Towards Accessibility Guidelines for the Metaverse: A Synthesis of Recommendations for People Living With Dementia [9] stellte er heraus, welche Anforderungen und Designimplikationen sich konkret ergeben, um Menschen mit Demenz die Verwendung von Extended Reality Technologien zu ermöglichen.

Außerdem tauschte er sich im Workshop Privacy Interventions and Education mit den anderen Teilnehmenden zu den Möglichkeiten aus, wie die Kontrolle der eigenen personenbezogenen Daten im Kontext digitaler Technologien verbessert werden kann, und diskutierte Maßnahmen anhand des konkreten Anwendungsfalls des Telefon-Trickbetrugs. Abgeschlossen wurde der Workshop mit einer Paneldiskussion bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie und Forschung.

Franzisca Maas präsentierte einen Positionsbeitrag im Workshop Failed yet successful: Learning from discontinued civic tech initiatives, in dem Teilnehmende der Frage nachgingen was mit Technologie nach Projekten passiert. Im Workshop lag der Fokus dabei auf nicht weiterverfolgten/ beendeten/ "failed" Projekten, mögliche Gründe, Ausblicke und Wege damit umzugehen. Franzisca Maas brachte mit ihrem Beitrag Lingering at the Brink of Failure ihre Perspektive aus einem gerade erst beendeten Projekt ein, bei dem noch unsicher ist, ob es ein (Mis-)Erfolg wird.

Referenzen

[1] Wolf, S., Luthe, S., Baumeister, L., Moerike, F., Janakiraman, V., & Hurtienne, J. (2023). Designing for uncontrollability: Drawing inspiration from the Blessing Companion. In A. Schmidt, K. Väänen, T. Goyal, P. O. Kristensson, A. Peters, S. Mueller, J. R. Williamson, & M. L. Wilson (Eds.), Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Article 845, pp. 1–14). Association for Computing Machinery. https://doi.org/10.1145/3544548.3581421

[2] Grundgeiger, T., Münz, A., Schlosser, P., & Happel, O. (2023). Supervising Multiple Operating Rooms Using a Head-Worn display: A Longitudinal Evaluation of the Experience of Supervising Anesthesiologists and Their Co-Workers. In A. Schmidt, K. Väänen, T. Goyal, P. O. Kristensson, A. Peters, S. Mueller, J. R. Williamson, & M. L. Wilson (Eds.), Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Article 345, pp. 1–18). Association for Computing Machinery. https://doi.org/10.1145/3544548.3581180

[3] Huber, S.& Rathß, N. (2023). Empathic Accuracy and Mental Effort During Remote Assessments of Emotions. In A. Schmidt, K. Väänen, T. Goyal, P. O. Kristensson, A. Peters, S. Mueller, J. R. Williamson, & M. L. Wilson (Eds.), Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Article 63, pp. 1–13). https://doi.org/10.1145/3544548.3580824 

[4] Wolf, S., Weber, M., & Hurtienne, J. (2023). Virtual tourism, real experience: A motive-oriented approach to virtual tourism. In A. Schmidt, K. Väänen, T. Goyal, P. O. Kristensson, & A. Peters (Eds.), Extended Abstracts of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Article 309, pp. 1–7). Association for Computing Machinery. https://doi.org/10.1145/3544549.3585594

[5] Preßler, J., Schmid, L., & Hurtienne, J. (2023). Statistically controlling for processing fluency reduces the aesthetic-usability effect. In A. Schmidt, K. Väänen, T. Goyal, P. O. Kristensson, & A. Peters (Eds.), Extended Abstracts of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Article 261, pp. 1–7). Association for Computing Machinery. https://doi.org/10.1145/3544549.3585739

[6] Huber, S., Papenfuß, N., Grundgeiger, T., Basch, J., & Happel, O. (2023). Hiring an AI: The Design of an Artificial Team-Member for Anesthesiology. Presentation at the Intelligent Data-Driven Health Interfaces Workshop, CHI 2023, April 23–28, 2023, Hamburg, Germany. https://iddhi2022.create.aau.dk/wp-content/uploads/2023/03/iddhi22_paper_4833.pdf

[7] Baur, C., Wienrich, C., & Hurtienne, J. (2023). Location, Aim, and Audience of Data Physicalisations: Design Approaches Instead of Frameworks. Presentation at the Workshop Data Physicalisation from Theory to Practice, CHI 2023, April 23–28, 2023, Hamburg, Germanyhttp://dataphys.org/workshops/chi23/wp-content/uploads/sites/8/2023/03/230215_PositionpaperDataPhysWS-Cordula-Baur.pdf

[8] Friedenberger, T., & Hurtienne, J. (2023). Something is Missing: On the Value of Displaying Missing and Nuanced Data. Presentation at the Workshop Data as a Material for Design: Alternative Narratives, Divergent Pathways, and Future Directions, CHI 2023, April 23–28, 2023, Hamburg, Germany.

[9] Abendschein, R., Desai, S., & Astell, A. J. (2023). Towards Accessibility Guidelines for the Metaverse: A Synthesis of Recommendations for People Living With Dementia. Presentation at the Workshop Towards an Inclusive and Accessible Metaverse, CHI 2023, April 23–28, 2023, Hamburg, Germany.

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